© KiBi, Cornelia Stahl
Buch des Monats September 2024
© KiBi, Cornelia Stahl
Tabea Steiner: Immer zwei und zwei. Roman. Luzern: bücherlese. 2023
Sich aus der Enge des Gemeindelebens befreien
Natali, Protagonistin in Steiners Roman, wuchs als Kind in einer Freikirche auf, kennt die Abläufe dort von Kindesbeinen an. Ihrem Ehemann Manuel, mit dem sie zwei Töchter hat und der ebenfalls Kirchenmitglied ist, geht es um Gehorsam und Gottesfurcht. Seine Werte lebt er in der Beziehung zu seiner Frau und in der Gemeinde, die die Mitglieder für Gottesdienste einteilt und in Privates eingreift.
Als die ältere der beiden Töchter zum Klavierspielen in ein Konzert eingeladen wird, zweifeln Natalie und ihre Tochter, ob die Freikirche einer Abwesenheit am Sonntagsgottesdienst zustimmen wird.
Es sind Szenen, die stellvertretend stehen für Situationen in freikirchlichen Gemeinden und ihre Ambivalenzen widerspiegeln, mit denen Mitglieder regelmäßig konfrontiert werden. Dass sich Natalie ausgerechnet in die freiberuflich tätige Theologin Kristin verliebt, macht die brüchige Familienbeziehung nicht einfacher. Der Ehemann will nach Außen Normalität suggerieren, erfindet eine Krankheit für seine Frau und evakuiert die Kinder zu seiner Mutter.
Mit feinen Beobachtungen und in einer sensiblen Sprache gelingt es Tabea Steiner, Familien- und Beziehungsprobleme in den Fokus zu nehmen und gleichzeitig das Umfeld nicht außer Acht zu lassen. Bestimmte Szenen ermöglichen ausreichend Raum für Identifikation, da jeder Mensch in bestimmte Beziehungsgefüge eingebunden ist. Im Fokus steht jedoch Natalies Geschichte um weibliche Selbstermächtigung und ihr Mut, Widerstand zu leisten und eigene Wege zu gehen.
Tabea Steiner, Jahrgang 1981, wuchs auf einem Bauernhof in der Nähe des Bodensees auf. Sie studierte Germanistik und Geschichte und initiiert das Thuner Literaturfestival Literaare. Bis 2022 war sie als Mitglied der Jury der Schweizer Literaturpreise tätig. 2019 war sie LCB-Stipendiatin in Berlin. Im selben Jahr erschien ihr erster Romandebüt „Balg“, der für den Schweizer Buchpreis nominiert wurde.
Das Buch ist ab sofort im KiBi entlehnbar!